Gestärkt aus der Corona-Krise: So gelingt der Wandel
Expertenwissen für kleine Wachstumsunternehmen
Fünf Handlungsfelder für eine nachhaltige Transformation
Zum Beginn der Corona-Krise im März 2020 hätte sich wohl niemand vorstellen können, was inzwischen 18 Monate danach immer noch für weite Teile der deutschen Wirtschaft gilt: Überbrückungshilfe, Kurzarbeit oder Restart-Prämie, Betriebe in besonders betroffenen Branchen versuchen gleichbleibend die Folgen des Dauer-Lockdown abzumildern. Freiberufler und Kreative in der Kulturwirtschaft können Neustarthilfe und Mittel aus dem Sonderfonds Kulturveranstaltungen erhalten.
Zum Ende des Sommers und angesichts steigender Inzidenzen erscheint jedoch selbst das Narrativ der "2G" für die kommenden Monate aus Sicht vieler Unternehmen nicht zweifelsfrei kalkulierbar.
Die internationale Pandemie-Lage, das Auftauchen wiederkehrender Infektionscluster und die noch immer stockende Impfbereitschaft machen COVID-19 2021 gleichbleibend zum Wirtschaftsrisiko.
Bietet die Corona-Krise auch Chancen und Einsichten für die Zukunft?
In einem aktuellen Positionspapier von KfW Research definieren die Autor*innen die zentralen Handlungsfelder für wirtschaftspolitische Maßnahmen, damit Deutschland gestärkt aus der Corona-Krise hervorgeht.
Die fünf zentralen Handlungsfelder für ein zukunftsfähiges Deutschland sind:
- Krisenfestigkeit
- Klimaneutralität
- Digitalisierung
- Globalisierung
- Europa
1. Krisenfestigkeit stärken
Mit Blick auf die notwendige Transformation zu einer digitalen und klimaneutralen Wirtschaft in Deutschland fordert die KfW die Politik auf, die Investitionsfähigkeit mittelständischer und kleiner Unternehmen in Deutschland zu stärken. Rund 24 % der Mittelständler stünden aktuell mit einem geringeren Eigenmittelanteil da als zu Beginn der Pandemie. Eine "kluge Wirtschaftspolitik" müsse dem entgegenwirken.
Haftungsfreistellungen und Zinsverbilligungen
Dies kann u.a. durch Haftungsfreistellungen und Zinsverbilligungen für Förderkredite erfolgen. Diese seien laut KfW ein wirksamer Hebel für mehr Investitionstätigkeit und eine schnellere Kreditbewilligung.
Mezzanine-Kapital
Für spezielle Unternehmenssegmente wie z. B. junge, innovative Unternehmen empfiehlt die KfW die Förderung von alternativen, den Verschuldungsgrad der Unternehmen „schonenden“ Finanzierungsinstrumenten. Dazu zählen Leasing Programme oder die Bereitstellung von Mezzanine-Kapital.
Bei Mezzanine-Kapital handelt es sich um Hybridkapital, eine Mischform aus Fremd- und Eigenkapital. Mikromezzanine-Kapital verfügt sowohl über Eigenschaften, die typischerweise Formen von Fremdkapital (Kredite; Darlehen) auszeichnen, als auch über klassische Eigenschaften des Eigenkapitals (z.B. Aspekt der Stimmberechtigung; i.d.R. stille Beteiligung). Eine Mezzanine-Finanzierung ist besonders geeignet für bilanzschonende Wachstums- bzw. Expansionsfinanzierungen.
Alle Unternehmen am Beginn ihrer Aufbauphase, aber auch kleine innovative bzw. Wachstumsunternehmen sind antragsberechtigt im Mikromezzaninfonds Deutschland. Gefördert werden alle Investitionen in die Errichtung eines neuen oder die Fortführung eines bestehenden Unternehmens. Darüber hinaus fördert der Mikromezzaninfonds Deutschland Unternehmensnachfolgen oder Betriebsmittelfinanzierungen.
Beteiligungen
Einer Weiterführung bzw. Sondierung der Fördermöglichkeit bedarfsgerechter Beteiligungsmodelle (z.B. Mitarbeiterbeteiligung) sollte die (künftige) Bundesregierung ebenfalls ihr wirtschaftspolitisches Augenmerk widmen.
2. Klimaneutralität der Wirtschaft vorantreiben
Klimaschutz muss wirtschaftlich sein
Klimaschutz muss sich lohnen. Viele Schlüsseltechnologien zur Dekarbonisierung der Industrie wiesen aktuell immer noch deutliche Kostennachteile gegenüber herkömmlichen Technologien auf. Für eine Marktdurchdringung müsse die Politik in der neuen Legislaturperiode für unternehmerfreundliche Rahmenbedingungen Sorge tragen und finanzielle Anreize setzen.
Klimaschutz geht nur international
Im Bereich des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und im Zuge des Aufbaus einer Wasserstoffinfrastruktur wird Deutschland in Zukunft Unterstützung brauchen. Mit Blick auf das begrenzte Flächenpotenzial für den heimischen Ausbau und günstigere Standortbedingungen in anderen Ländern geht die KfW davon aus, dass ein Großteil des benötigten grünen Wasserstoffs in Zukunft importiert wird. Die hierfür benötigten globalen Lieferketten müssen jetzt aufgebaut werden.
3. Mehr Erfindergeist und Digitalisierungsschub
Weiterbildung fördern und steuerlich abschreiben
Die Debatte um "Erfindergeist vs. Verbote" ist ein wiederkehrendes Narrativ im aktuellen Bundestagswahlkampf. Klar ist, dass der Umbau zu einer digitalen und klimaneutralen Wirtschaft nur durch eine gelungene Kombination aus Investitionstätigkeit und Know-how-Zuwachs gelingen kann. Für die nach der Krise dringend notwendige Steigerung der Aus- und Weiterbildungsaktivität empfiehlt die KfW deshalb "wirksame Bildungsanreize zu setzen, z. B. durch Förderkredite und direkte Kostenerstattung". Die steuerliche Förderung betrieblicher Bildungsausgaben, sogenannte "Humankapitalinvestitionen" könnte darüber hinaus analog zu Sachinvestitionen behandelt und als steuerliche Abschreibung ermöglicht werden.
Zinsverbilligte Förderkredite für die Digitalisierung
Finanzierungsschwierigkeiten zählen seit vielen Jahren zu den wichtigsten Innovationshemmnissen aus Unternehmenssicht, die sich in den zurückliegenden rund 15 Jahren noch verschärft haben. Schwierigkeiten bei der externen Finanzierung lähmen auch die Digitalisierungsbestrebungen vieler kleiner Unternehmen in Deutschland. Zinsverbilligte Förderkredite mit Haftungsfreistellung sind laut KfW auch hier ein geeignetes Kriseninstrument (vgl. den KfW-Digitalisierungskredit mit Nullzins).
Eigenkapitalschonende Mezzanine-Finanzierung
Digitalisierungsprojekte können auch durch den Einsatz eigenkapitalschonender Finanzierungsinstrumente wie Leasing und Mezzanine-Kapital vorangetrieben werden. Der Mikromezzaninfonds hält für Investitionen in diesbezügliche Betriebsmittel die notwendigen Mittel bereit.
Besonders zur Bewerbung aufgefordert sind Unternehmen, die ausbilden, die aus der Arbeitslosigkeit gegründet wurden sowie solche, die von Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund geführt werden. Darüber hinaus stehen gewerblich orientierte Sozialunternehmen und umweltorientierte Unternehmen im Zentrum der Förderung durch den Fonds.
FuE-Projekte fördern
Um die Durchführung expliziter Forschungs- und Entwicklungsprojekte in Unternehmen und Verbünden stärker voranzutreiben, sind laut KfW-Positionspapier die Vergabe von Zuschüssen und die steuerliche FuE-Förderung die richtigen Instrumente.
4. Vorteile internationaler Vernetzung weiterhin nutzen
Die Nationalisierung von Wertschöpfungsketten mag unter dem Eindruck von Materialknappheit und Kostensteigerungen im Zuge der Corona-Krise jüngst wieder an Attraktivität gewinnen. Laut KfW Research seien es jedoch nur drei von zehn kleinen und mittleren Unternehmen, die sich in den kommenden fünf Jahren stärker auf Lieferanten im Inland fokussieren wollen. Durch die Krisenerfahrung könne es dennoch für viele Unternehmen angezeigt sein, die eigenen Wertschöpfungsverflechtungen im In- und Ausland zu überprüfen und möglicherweise anzupassen.
5. Europa stärken
Mithilfe des befristeten Aufbauinstruments "NextGenerationEU" hat die EU die Grundlage für eine gemeinsame Kreditfinanzierung auf europäischer Ebene gelegt. Die Mittel aus dem "NextGenerationEU" sollen die Folgen der Corona-Krise gemeingesellschaftlich und europaweit mit Blick auf die zukünftigen Herausforderungen ausgleichen. Dafür steht den Mitgliedsstaaten bis längstens 2026 ein Rahmen von insgesamt 750 Mrd. EUR oder 5,4 % des EU-BIP zur Verfügung, 390 Mrd. EUR davon als Zuschüsse. Stark von der Krise getroffene Länder wie Spanien und Italien werden bei der Mittelverteilung bevorzugt. Das Programm fördert mit einem Fokus auf Klimaneutralität und Digitalisierung.
Transparenz und Effizienz sicherstellen
Das Momentum der gemeinschaftlichen Kreditfinanzierung sorgte seit Beginn der Verhandlungen um den Aufbaufonds für Diskussion und Kritik. Die vorläufige Bilanz der bisher vorgelegten Aufbaupläne fällt laut KfW gemischt aus. Das Ambitionsniveau bliebe zum Teil hinter den Möglichkeiten zurück. Bei der Umsetzung der Maßnahmen werde es deshalb künftig auch von Bedeutung sein, ob den EU-Behörden "ein transparentes Monitoring der Ausgaben und ihrer Effizienz" gelingt.
Verbesserte Förderbedingungen im KfW-Umweltprogramm
Unternehmen, die an ihrem Standort, den Produktionsbedingungen oder im Fuhrpark aktiven Klimaschutz fördern wollen, profitieren jetzt von den verbesserten Bedingungen im KfW-Umweltprogramm. Gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium hat die KfW die Förderkonditionen von Umwelt- und Klimaschutz- Investitionen sowie von Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels zum 1. September 2021 angepasst.
Ab sofort können Unternehmen, Einzelunternehmer und Gewerbetreibende Mittel aus dem KfW-Umweltprogramm für die Finanzierung folgender Maßnahmen beantragen:
- Finanzierung allgemeiner Umweltschutzmaßnahmen,
- Maßnahmen zum ressourcenschonenden und kreislauforientierten Wirtschaften ("Circular Economy") und - NEU - für
- Investitionen in Maßnahmen zur Verbesserung des Klimaschutzes sowie für
- Investitionen in Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels.
Das KfW-Umweltprogramm fördert:
- Unternehmen jeder Größe
- Einzelunternehmerinnen und Einzelunternehmer
- Freiberuflich Tätige
Das Programm unterstützt die beschriebenen Investitionen in Umweltschutz und Nachhaltigkeit in der Regel mit bis zu 25 Mio. Euro pro Vorhaben und bis zu 100 % der Investitionskosten. Es werden 100 % des Kreditbetrags ausgezahlt.
Folgende Maßnahmen sind u.a. förderfähig:
- Material und Ressourcen einsparen
- Luftverschmutzungen, Geruchsemissionen, Lärm und Erschütterungen vermindern oder vermeiden
- Klimaschutzmaßnahmen oder Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel umsetzen
- Firmengebäude naturnah gestalten
- Abfall vermeiden, behandeln und verwerten
- Abwasser reinigen, vermindern oder vermeiden
- Boden und Grundwasser schützen
- Altlasten bzw. Flächen sanieren
- Fahrzeuge mit batterieelektrischem Abtrieb oder Brennstoffzellenfahrzeuge
- umweltfreundliche Wasserfahrzeuge oder alternative Antriebe im Schienenverkehr oder
- das umweltfreundliche Aufrüsten von Schienen- oder Wasserfahrzeugen sowie
- Ladestationen für Elektrofahrzeuge.
Mit dem Umweltprogramm werden insbesondere Klimaschutzmaßnahmen in energieintensiven Branchen gefördert, die zu einer wesentlichen Reduktion von prozessbedingten Treibhausgasemissionen führen.
Zudem unterstützt das Programm Maßnahmen, die Belastungen und Risiken infolge des Klimawandels mindern. Hierzu zählen z.B. Hitzebelastung, Beeinträchtigungen der Wassernutzung durch zunehmende Erwärmung und vermehrte Sommertrockenheit oder Starkregen, Sturzfluten oder Überschwemmungen, verbunden mit Risiken für Menschen, Gebäude und Infrastrukturen.
Ein Schwerpunkt der Förderung sind Vorhaben, die naturbasierte Lösungen einsetzen und die zu einer grünen Infrastruktur beitragen, beispielsweise durch die Begrünung von Gebäuden oder Firmengeländen oder Maßnahmen des natürlichen Wasserrückhalts.
Die Ereignisse der vergangenen Tage und Wochen führen uns vor Augen, welche Herausforderung der Klimawandel darstellt und wie dringend notwendig die Transformation unserer Wirtschaft ist. Dabei geht es nicht nur darum, Belastungen des Klimas so weit wie möglich zu reduzieren. Klimaschutz bedeutet auch Schutz vor den Folgen seines Wandels. Beides gehört zusammen. Dabei unterstützen wir die Unternehmen in Deutschland jetzt noch stärker.
- Statement Dr. Ingrid Hengster, KfW-Vorständin für das inländische Fördergeschäft
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