Mindestlohnerhöhung und neue Regeln für Minijobs
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Mindestlohn & Minijob: Das gilt ab 1. Oktober 2022
Das Bundeskabinett hat am 23. Februar den Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung beschlossen. Damit folgt die Ampel-Koalition einem Wahlversprechen ihres amtierenden Bundeskanzlers Olaf Scholz und der SPD-Fraktion, welche die nun finalisierte Erhöhung des Mindestlohns im Bundestagswahlkamp als zentrale Botschaft vermittelt hatte. Nach Verkündigung im Bundesanzeiger tritt das neue Änderungsgesetz umgehend in Kraft.
Konkret sieht der Gesetzentwurf Folgendes vor:
- die einmalige Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Oktober 2022 auf 12 Euro pro Zeitstunde
- die Anhebung der Entgeltgrenze für Minijobs von aktuell 450 Euro auf 520 Euro monatlich zum 1. Oktober 2022
(..) Von der Erhöhung profitieren über sechs Millionen hart arbeitende Menschen, vor allem in Ostdeutschland und vor allem Frauen. Die Anhebung kommt insbesondere den Leuten zu Gute, die in der Pandemie dieses Land am Laufen gehalten haben. (..)
– Pressemitteilung Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD)
Richtwert für die Berechnung des neuen Mindestlohns (aktuell noch 9,82 Euro) ist laut Bundesregierung der Medianlohn in Deutschland abzüglich 60 Prozent. Daraus folge ein Mindestlohn von 12 Euro pro Zeitstunde als Mindestschutz, wie er im europäischen Wirtschaftsraum als angemessen gelte.
Mehr Anreize für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
Zugleich will die Bundesregierung auch im Bereich der Midijobs für Anreize und Entlastung sorgen. Dazu zählen eine Anhebung der Verdienstgrenzen für sogenannte Beschäftigungsverhältnisse im Übergangsbereich bei gleichzeitiger Abgabenbeschränkung für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber:
- Mehr Verdienst für Beschäftigungen im Übergangsbereich: Die Verdienstgrenze für Midijobs steigt von monatlich 1.300 Euro auf 1.600 Euro. Außerdem werden die Beschäftigten innerhalb des Übergangsbereichs noch stärker entlastet.
- Entlastung für Arbeitgeber oberhalb der Geringfügigkeit: Der Arbeitgeberbeitrag wird oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze zunächst auf die für einen Minijob zu leistenden Pauschalbeiträge in Höhe von 28 Prozent angeglichen und soll dann gleitend auf den regulären Sozialversicherungsbeitrag abgeschmolzen werden:
Der Belastungssprung beim Übergang aus einer geringfügigen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird geglättet. Damit werden die Anreize erhöht, über einen Minijob hinaus erwerbstätig zu sein.
– BMAS
Checkliste Mindestlohnerhöhung: Das musst du wissen
Bereits vor dem 1. Oktober sind gemäß des laufenden Prozederes der stufenweisen Anhebung des Mindestlohns durch die Mindestlohnkommission einige Fristen & Fakten zur Mindestlohnerhöhung für dich relevant:
- Erste Mindestlohnerhöhung bereits zum 1. Juli 2022: Ab dem 1. Juli 2022 steigt der gesetzliche Mindestlohn von aktuell 9,82 Euro auf dann 10,45 Euro brutto pro Arbeitsstunde. Ab 1. Oktober gilt dann die vom Bundeskabinett beschlossene Erhöhung des Mindestlohns auf dann 12 Euro brutto pro Stunde.
- Neue Entgeltgrenze ab 1. Oktober 2022: Die Entgeltgrenze für Minijobs beträgt bis zum 30. September 450 Euro monatlich. Im Zuge der Mindestlohnerhöhung steigt die monatliche Verdienstgrenze dann auf 520 Euro.
- Maximale Einsatzzeit sinkt: Mindestlohn und maximale Entgeltgrenze definieren die monatliche Arbeitszeit deiner Minijob-Beschäftigten. Das heißt, dass Minijobber aktuell und noch bis zum 30. Juni pro Monat nicht mehr als 45 Stunden (9,82 Euro x 45,82 = 450,00 Euro) arbeiten dürfen. Ab 1. Juli sind es dann nur noch 43 Stunden pro Monat. Mit der weiteren Erhöhung des Mindestlohns zum 1. Oktober bei gleichzeitigem Anstieg der maximalen Verdienstgrenze dürfen Minijobber dann maximal 43,33 Stunden im Monat arbeiten (= 520 Euro : 12 Euro). Als Minijobber verdienen Beschäftigte dann aber auch 70 Euro mehr im Monat bzw. 1,55 Euro je Stunde mehr.
- Aufzeichnungspflichten beachten: Überschreiten geringfügig Beschäftigte die Höchstzahl an Arbeitsstunden, riskieren Arbeitgeber empfindliche Nachzahlungen von Lohnsteuer- und Sozialersicherungsbeiträgen. Verstöße gegen die Aufzeichnungspflicht sind nach § 21 MiLoG ebenfalls mit hohen Bussgeldern bewehrt.
- Digitale Buchhaltung nutzen: Die geplanten Änderungen im Mindestlohn-Sektor bedeuten neue Aufzeichnungspflichten für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Für eine reibungs- und lückenlose Dokumentation empfiehlt sich die Investition in digitale Aufzeichnungssysteme zur Arbeitszeiterfassung.
Elektronische Arbeitszeiterfassung bindet Ressourcen
In bestimmten Tätigkeitszweigen könnten die neuen Anforderungen an elektronische und manipulationssichere Arbeitszeitaufzeichnungen zu einem unverhältnismäßigen Investitionsaufwand führen, befürchten Juristen:
Gerade bei ortsungebundenen Tätigkeiten müssten Arbeitgeber und Entleiher allein wegen einer elektronischen Zeiterfassung geringfügig Beschäftigte und Leiharbeitnehmer mit entsprechenden Geräten ausstatten. Der Investitionsbedarf wäre beträchtlich.
Den Einwänden verschiedener Experten und Verbände Rechnung tragend, prüft das BMAS deshalb aktuell die „kostenfreie“ Bereitstellung „einer digitalen Zeiterfassungsanwendung“, um vor allem kleine und mittelständische Unternehmen beim Verwaltungsaufwand zu unterstützen.
Aufzeichnungspflichten bei Minijobs beachten
Die genannten Anforderungen an eine korrekte Arbeitszeiterfassung sind in zahlreichen Branchen wohlbekannt. Ob in Gastronomie, Handel oder Transportwesen – mit Unterstützung des Zolls kämpft der Gesetzgeber im Rahmen der gesetzlichen Pflicht zur Arbeitszeiterfassung regelmäßig gegen Sozialversicherungsbetrug und Schwarzarbeit.
In diesen Branchen gilt die gesetzliche Plicht zur Arbeitszeiterfassung für Minijobber:
- in der Bauwirtschaft
- in Gaststätten und Herbergsbetrieben
- in der Speditions-, Transport und Logistikbranche
- in Unternehmen der Forstwirtschaft
- in Unternehmen der Gebäudereinigung
- als Zeitungszusteller oder für Beschäftigte von Paketdiensten
- in Unternehmen der Messewirtschaft (Messebau)
- in Unternehmen der Fleischwirtschaft
Gesetzliche Anforderungen an Arbeitszeitnachweise für Minijobber
Nachweise zur Arbeitszeiterfassung von Minijobbern folgen einigen gesetzlichen Vorgaben, die du beachten musst. Als wichtigste Informationen enthält ein Arbeitszeitnachweis die folgenden drei Punkte:
- Beginn der Arbeitszeit für jeden Arbeitstag
- Ende der Arbeitszeit für jeden Arbeitstag
- Dauer der täglichen Arbeitszeit ohne Pausen (gehören nicht zur Arbeitszeit und müssen nicht gesondert erfasst werden)
Den Nachweis kannst du via Vordruck maschinell oder auch handschriftlich ausstellen. Die Unterschriften der Vertragsparteien sind nicht notwendig. Als Unternehmerin und Unternehmer bist du jedoch zur wahrheitsgetreuen Angabe verpflichtet. Um Streitigkeiten mit Beschäftigten vorzubeugen, solltest du handschriftlich angefertigte Aufzeichnungen von Stundenabrechnungen jeweils gegenzeichnen lassen.
Abgabefristen und Aufbewahrungspflichten kennen
Gemäß §17 MiLoG sind Arbeitgeber dazu verpflichtet Arbeitszeitnachweise „spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren.“
Kannst du Nachweise über Minijobverhältnisse nicht oder nur unvollständig z.B. im Fall unangemeldeter Zollkontrollen vorlegen, drohen empfindliche Bußgelder je nach Schwere in Höhe von bis zu 500.000 Euro.
Vom Tariflohn zum Staatslohn?: Kritik am neuen Mindestlohn
Die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns durch das Bundeskabinett stößt nicht nur auf Zustimmung. Insbesondere die Ermächtigung des Koalitionspartners SPD zur proklamierten Anpassung vorbei an der hierfür regulär zuständigen Mindestlohnkommission erntete im Vorfeld der Beschlussfassung Kritik.
In ihrem Gesetzesentwurf nimmt die Bundesregierung hierzu Stellung und sichert zu, dass zukünftige Anpassungen des Mindestlohns „weiterhin auf Grundlage von Beschlüssen der Mindestlohnkommission, erstmals wieder bis zum 30. Juni 2023 mit Wirkung zum 1. Januar 2024“ in Kraft treten sollen.
Das geht Arbeitgeberverbänden nicht weit genug:
Mit dem heutigen Vorschlag der Bundesregierung zur Änderung des Mindestlohngesetzes wird die vertrauensvolle Zusammenarbeit der vergangenen Jahre in der Mindestlohnkommission schwer gestört. Der damit vorgenommene Systemwechsel von einer tarifpolitisch geprägten Mindestlohnentwicklung hin zu einer Staatslohnentwicklung ist folgenschwer. Bei Einführung des Mindestlohns hat die Politik die Zusage gegeben, dass die Mindestlohnkommission den Mindestlohn festlegt. Dieses Versprechen wird nun gebrochen und macht den Mindestlohn zum Spielball der Politik.
– Presseerklärung von Arbeitgeberpräsident Dr. Rainer Dulger
Die Politik bleibe laut BDA vielmehr dazu aufgefordert mit den Arbeitgeberverbänden zurück an den Tisch zu kommen, um eine „fatale Fehlentwicklung im sozialen Gefüge der Bundesrepublik Deutschland“ zu vermeiden.
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