Pandemische Notlage: Neue Corona-Arbeitsschutzverordnung kommt
Strategien für mehr Resilienz in Krisenzeiten
Was kommt nach dem Ende der pandemischen Notlage?
Aktuell und für die Dauer der epidemischen Lage nationaler Tragweite noch bis zum 24. November gilt die aktuelle SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung als Richtlinienkatalog für die Fürsorgepflicht von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern inmitten der 4. Corona-Welle.
Am Donnerstag stellten die Ampel-Koalitionäre einen neuen Gesetzesentwurf zur weiteren Bekämpfung der ansteigenden Corona-Neuinfektionen im Bundestag zur Diskussion. Demnach wollen die Parteien von SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN keine Verlängerung der epidemischen Lage nationaler Tragweite über die derzeitige Frist hinaus, sondern den Beschluss neuer „robuster“ Maßnahmen, um Deutschland „winterfest“ zu machen.
2G, 3G oder 2G Plus: Welche Maßnahmen gelten im Corona-Winter 2021/22?
Ebenfalls am Donnerstag verzeichnete das RKI mit mehr als 50.000 Neu-Infektionen so viele Corona-Erkrankungen wie nie zuvor seit Beginn der Pandemie. Dies ruft die Kritiker der neuen Oppositionsparteien CDU und CSU auf den Plan, welche die Debatte nutzten, um auf das wirksame Instrument der pandemischen Notlage als Grundlage für bundesweit einheitliche Schutzmaßnahmen hinzuweisen. Die FDP verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die „Anforderungen des Grundgesetzes“ auch in der Corona-Krise gewahrt werden müssten, pauschale Ausgangssperren werde es nicht geben und wurden zuletzt bereits vom Bundesverfassungsgericht gekippt.
Wir werden für 3G sorgen und liefern auch eine Rechtsgrundlage für 2G.
- Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion
In KW 46 wollen nun die 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten in einer gemeinsamen MPK zusammen kommen, um ihr Vorgehen abzustimmen. Bereits jetzt gelten unterschiedliche Regeln und Verordnungen in einzelnen besonders betroffenen Bundesländern, wie Bayern (Katastrophenfall seit dem 11. November) oder Sachsen (landesweite 2G-Regel seit dem 8. November z.B. für die Gastronomie, Veranstaltungen im Innenbereich, Klubs, Diskotheken und Großveranstaltungen; FFP-2-Maskenpflicht in Nahverkehr und Taxibetrieb). Ab dem 15. 11. führt auch Berlin die 2G-Regel ein und gestattet nur noch Geimpften und Genesenen den Zutritt zu verschiedenen öffentlichen Bereichen, für die Gastronomie oder den Besuch bei körpernahen Dienstleistern (Friseur oder Maniküre).
Wir müssen sicherstellen, dass die Arbeitsplätze sicher sind.
- Olaf Scholz, Vizekanzler und Kanzlerkandidat SPD zum neuen Gesetzesentwurf
3G (Geimpft, Genesen & Getestet) wird Pflicht am Arbeitsplatz
Mit ihrem Gesetzesentwurf wollen die Ampel-Koalitionäre, dass künftig 3G (Geimpft, Genesen & Getestet) am Arbeitsplatz gilt. Aktuell besteht die Pflicht für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihre Beschäftigten mindestens zweimal in der Woche auf das Corona-Virus zu testen. Der Status „Geimpft und/oder Genesen“ kann bei der Bereitstellung der für Arbeitgeber kostenpflichtigen Tests berücksichtigt werden. In Pflegeeinrichtungen soll das tägliche Testen von nicht geimpftem Pflegepersonal mit dem neuen Gesetz in Zukunft verpflichtend sein.
Die in einigen Bundesländern bereits geltende 2G-Regel für Gastronomie, Veranstaltungswirtschaft, personennahe Dienstleistungen und zahlreiche öffentliche Einrichtungen hielt auch Kanzlerkandidat Olaf Scholz am Donnerstag für „einen guten Fortschritt“ in der aktuellen Pandemiebekämpfung.
Wie die einzelnen Bundesländer spätestens mit Auslaufen der pandemischen Notlage zum 25. November mit den neuen Handlungsspielräumen im Einzelfall genau umgehen werden, muss die Ministerpräsidentenkonferenz in KW 46 erst zeigen. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten in der aktuellen Situation regelmäßig die Veröffentlichungen ihrer Kommune am Standort und auf der Website ihrer jeweiligen Landesregierung checken.
Betriebsrisiko oder Betriebsschließung: Entgeltanspruch und Lohnfortzahlung
Besonders Veranstaltungsbetriebe, Clubs und gastronomische Einrichtungen stellt der rasante Anstieg der Infektionszahlen und die damit einhergehenden neuen Schutzmaßnahmen vor besondere Herausforderungen. In Gewerben mit einem hohen Anteil von Minijobbern sind laufende Verträge bei eingeschränktem Geschäftsbetrieb oder quasi Veranstaltungsverbot eine zusätzliche Belastung.
Grundsätzlich haben Minijobber im Fall eingeschränkter Betriebstätigkeit keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Dies gilt nur für Arbeitnehmende, die arbeitslosenversicherungspflichtig sind und für die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt werden. Minijobber sind versicherungsfrei in der Arbeitslosenversicherung, zahlen keine Beiträge und können demzufolge auch keine Leistungen in der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen.
Grundsätzlich bleiben Arbeitgeber aber weiter zur Entgeltzahlung verpflichtet, sollten sie die Arbeitsleistung des Minijobbers zwar nicht wie vereinbart benötigen, der Minijobber jedoch arbeitsfähig und arbeitsbereit ist. Voraussetzung hierür ist das Vorliegen von Gründen der Nicht-Beschäftigung, die in der betrieblichen Sphäre des Arbeitgebers liegen (sogenannte Betriebsrisikolehre, § 615 Satz 3 BGB).
Lockdown-Verordnung ist kein Betriebsrisiko
Gemäß Urteil des Bundesarbeitsgericht am 13. Oktober 2021 (Az.: 5 AZR 211/21) tragen Arbeitgeber nicht das Betriebsrisiko, wenn ihr Betrieb per allgemeiner Lockdown-Verordnung schließen muss und müssen dann auch nicht ihrer Pflicht zur Entgeltfortzahlung an Minijobber nachkommen, die während verordneter Lockdown-Phasen nicht arbeiten können.
Die höchsten deutschen Arbeitsrichter stellten in ihrem Urteil fest, dass die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung Folge eines hoheitlichen Eingriffs zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage ist. Aus dem Fehlen eines finanziellen Nachteilsausgleichs für Minijobber durch den Staat bei Corona-Arbeitsausfall lasse sich aber keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten. (vgl. den Erstbeitrag von HAUFE)
Sicherungslücken bei Minijobs sind keine Arbeitgeberlast
In Branchenbereichen, in denen nach 20 Monaten Pandemie-Erfahrung und trotz Investitionen in ein Hygienekonzept die 2G-Regel bereits den Lockdown bedeutet, kann es ratsam seine die Feststellung „Betriebsrisiko oder Betriebsschließung“ und die damit einhergende besondere wirtschaftliche Last sowie offenkundige Lücken im Sozialversicherunsgsystem vor den Gerichten verhandeln zu lassen.
Update: Bundestag und Bundesrat beschließen neues Infektionsschutzgesetz
Am 18. November tagte der Bundestag in einer hitzigen Debatte über die geplanten Neuregeln des von der Ampel-Koalition vorgelegten Infektionsschutzgesetz. Am Nachmittag berieten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer mit der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über den Entwurf und machten Änderungswünsche deutlich. Mit einigen Anpassungen und einer Übergangsregel passierte der Gesetzesentwurf dann am Freitag (19. November) einstimmig auch den Bundesrat.
3G am Arbeitsplatz und im ÖPNV, 2G für zahlreiche Bereiche des öffentlichen Lebens, eine Sonderöffnungsklausel für regionale Verschärfungen aber keine flächendeckenden Ausgangssperren oder Schul- und Betriebsschließungen macht das neue Gesetz schon bald zur Pflicht.
Wer zahlt für 3G am Arbeitsplatz?
Auf Auskunftsersuchen von WELT teilte das Bundesarbeitsministerium ebenfalls am Freitag mit, dass Arbeitgeber in Zukunft nicht zwingend die Kosten für Tests ungeimpfter Beschäftigter tragen müssten. Arbeitgeber müssen zwar nach wie vor gemäß Corona-Arbeitsschutzverordnung für alle Mitarbeiter zwei Tests pro Woche anbieten. Dabei kann es sich aber wie bislang um Selbsttests ohne Aufsicht handeln – die handelsüblichen Spuck-, Lolli- oder Nasentests für den Hausgebrauch. Wenn der Arbeitgeber keine Aufsicht für die Tests gewährleistet, reicht ein Selbsttest allerdings nicht, um den Betrieb unter den neuen 3G-Regeln betreten zu dürfen:
Stellt der Arbeitgeber lediglich Selbsttests zur Eigenanwendung zur Verfügung, die nicht unter Aufsicht durchgeführt werden, ist dies kein zertifizierter Nachweis. Sprich: Die Arbeitnehmer, die sich nicht impfen lassen wollen oder diejenigen, die ihren Impfstatus nicht offenlegen wollen, müssen die Nachweise über einen negativen Test besorgen. Hierzu können kostenlose Bürgertests entsprechend der Coronavirus-Testverordnung in Anspruch genommen werden.
– Bundesarbeitsministerium auf Anfrage von WELT (nicht barrierefrei)
Inzwischen sind bundesweit die Testzentren für kostenlose Bürgertests wieder geöffnet. Ungeimpfte Beschäftigte, die den Nachweis der Testung nicht adäquat erfüllen können, sind an die Testzentren oder medizinisches Personal in Apotheken verwiesen.
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