Alarmstufe: Alles Wichtige zum Notfallplan Gas
Geprüfte Vorlagen & Verträge für Unternehmen
Was ist der Notfallplan Gas?
Der „Notfallplan Gas für die Bundesrepublik Deutschland“ basiert auf einer EU-Verordnung aus dem Jahr 2017. Darin geregelt sind Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung in den europäischen Mitgliedsstaaten, um den Erdgasbinnenmarkt zu stärken und einer Versorgungskrise effektiv vorzubeugen.
Dies ist nötig, weil die sichere Erdgasversorgung in der Europäischen Union in der gemeinsamen Verantwortung der Gasversorgungsunternehmen, der Mitgliedstaaten und der hier zuständigen Behörden sowie der Europäischen Kommission (EU-KOM) liegen.
Im Verlauf einer Versorgungskrise, wie sie sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ausgebildet hat, kennt der Notfallplan Gas drei Krisenstufen:
- Frühwarnstufe (Stufe 1: seit 30. März in Kraft)
- Alarmstufe (Stufe 2: seit 23. Juni in Kraft)
- Notfallstufe (Stufe 3: tba)
In den den ersten beiden Stufen sieht das Instrumentarium marktbasierte Maßnahmen der Gasversorgungsunternehmen vor, um Kosten und Verbrauch zu optimieren. Ergänzend und nur im Notfall (Stufe 3) können hoheitliche Eingriffsmöglichkeiten des Staates folgen.
Notfallplan Gas: Was bedeutet die zweite Alarmstufe?
Gemäß der am 23. Juni von Bundeswirtschaftsminister Rober Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) in Berlin ausgerufenen Alarmstufe im Notfallplan Gas liegt aktuell eine Störung der Gasversorgung vor bzw. besteht (dadurch) eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führe:
Wir sind in einer Gaskrise. Gas ist von nun an ein knappes Gut. Die Preise sind jetzt schon hoch, und wir müssen uns auf weitere Anstiege gefasst machen.
– Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen)
Krisenstab der Bundesnetzagentur (BNetzA) bereits seit Ende März 2022 unter Hochdruck
Im Zuge der seit dem 30. März geltenden ersten Stufe (Frühwarnstufe) hat das Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam mit der Bundesnetzagentur (BNetzA) bereits zwei Krisenteams mit jeweils 65 Mitarbeitern für den Gas- als auch den Strommarkt gebildet, um den steten Austausch mit allen Beteiligten und schnelle Entscheidungen zu gewährleisten.
Gasversorger und die Betreiber der Gasleitungen berichten seitdem regelmäßig über die Versorgungslage und es besteht ein enger Austausch des Krisenstabs mit relevanten Institutionen der EU und den europäischen Nachbarländern.
Markt muss Alarmstufe deeskalieren
In der aktuellen zweiten Stufe des Notfallplan Gas ist der Markt noch in der Lage, die Störung der Versorgung oder Nachfrage zu bewältigen. Laut Wirtschaftsministerium seien jetzt primär die Versorger dazu aufgerufen, sich um eine Entspannung der Lage zu kümmern. Dazu kann gehören, Gas flexibler zu beschaffen oder auf Gasspeicher zurückzugreifen.
Umwälzung extremer Beschaffungskosten auf Gaskunden (noch) nicht möglich
Der Kostendruck steigt allerdings zusehends auch für Gaskunden. Mitte Mai hatte die Bundesregierung durch Einfügung einer Preisanpassungsklausel im Energiesicherungsgesetz die Basis für die Weiterreichung extremer Preisanstiege geschaffen. Dadurch erhalten Versorger in der aktuellen Alarmstufe grundsätzlich das Recht „entlang der Lieferkette (..) ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen" (Auszug aus dem Gesetzestext). Dies darf auch bei langfristigen Verträgen direkt, sofort und auch in Form sprunghafter Erhöhungen erfolgen.
Damit die Preisanpassungsklausel in der jetzigen Versorgungslage praktisch anwendbar werde, seien laut Habeck jedoch weitere Schritte nötig.
Notfallstufe Gas: Was droht im schlimmsten Fall?
Reichen die genannten Maßnahmen in den kommenden Wochen nicht aus, um zum Beginn der Heizperiode ausreichend Gas vorrätig zu wissen, darf die Bundesregierung per Verordnung die dritte und letzte Stufe im Notfallplan Gas wirksam werden lassen (Notfallstufe).
Bundesnetzagentur als verantwortliche Instanz
Die Notfallstufe setzt dann alle Marktmechanismen und Verträge mit Gasversorgen und Gasabnehmern außer Kraft. Die Bundesnetzagentur übernimmt in Form eines sogenannten „Bundeslastverteilers“ und teilt die verfügbaren Gas-Mengen nach Priorität und Bedürftigkeit an Industriebetriebe, Kraftwerke, Unternehmen der allgemeinen Wirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürger.
Gaszuteilung nach Priorität und Bedürftigkeit
Grundsätzlich sieht die Notfallstufe unterschiedliche Prioritäten der Gasversorgung innerhalb der höchsten Eskalationsstufe vor. Besonders geschützt sind Privatkunden, deren Versorgung mindestens 30 Tage lang garantiert werden muss. Gasversorger müssen hierfür entsprechende Vorsorgemaßnahmen treffen. Unter besonderem Schutz stehen außerdem soziale Einrichtungen wie z.B. Krankenhäuser.
Kein Gas mehr für Unternehmen?
Das drohende Szenario abgeschalteter Industrie-Anlagen scheint trotz der Priorisierung von Privatkunden zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich. Noch sind es 12 bis 16 Wochen Zeit bis zum Beginn der Heizperiode und der Notfallplan Gas gibt der Bundesregierung einen breiten Handlungsrahmen, um bestmöglich auf noch abzuwartende Krisenmomente zu reagieren.
Diskutiert werden im Einzelfall u.a. ein Gassparauktionsmodell für die Industrie oder eine Senkung der Mindesttemperatur in Wohnimmobilien.
Welche Kosten drohen Gaskunden jetzt?
Die Aktivierung der bereits erwähnten Preisanpassungsklausel als Instrument, um extreme Preissteigerungen an Endkunden weiterzugeben, muss dich in der derzeitigen Alarmstufe noch nicht sorgen.
Gasversorger dürfen ihre Preise nur dann auf ein „angemesses Niveau“ erhöhen, sobald die Bundesnetzagentur zusätzlich zur Alarmstufe und förmlich „eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen" feststellen würde. Diese Feststellung muss im Bundesanzeiger veröffentlicht werden.
Für bestehende Verträge hat die Preisanpassungsklausel in der aktuellen Situation deshalb (noch) keine Relevanz. Dass die Energie-Kosten für Geschäfts- und Privat-Kunden steigen und noch steigen werden, steht dennoch außer Frage. Wichtig deshalb für dich: Nutze Sparpotenziale beim Gasverbrauch sowie Fördermittel der Bundesregierung, um die Folgen der Energiekrise abzufedern.
Droht ein Gasmangel im Winter 22/23?
Aktuell sind die Gasspeicher in Deutschland zu rund 60 Prozent gefüllt. Die sommerlichen Temperaturen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass zum Wintereintritt 2022/23 die Speicher deutlich gefüllt sein müssen. Für die allgemeine Versorgungssicherheit schreibt der Gesetzgeber einen Füllstand von 90 Prozent zum 1. November vor.
Ein Grad weniger spart 6% an Energiekosten
Unternehmen und Privatkunden sind ab sofort explizit dazu aufgefordert Gas zu sparen. Das gelingt durch die technische Wartung deiner Heizungsanlage und durch eine allgemeine Verbrauchsreduktion. Dadurch seien laut BMWK Einsparungen von bis zu 15 Prozent möglich. Generell gilt: Ein Grad weniger spart ungefähr sechs Prozent an Energiekosten.
»Gas ist von nun an ein knappes Gut.«
Energiekrise: Fördermittel für Soloselbstständige & Unternehmen
Seit Beginn des Ukraine-Krieges am 24. Februar 2022 hat die Bundesregierung verschiedene Entlastungspakete auf den Weg gebracht, die Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger finanziell unterstützen sollen.
Folgende Maßnahmen sind Teil des Instrumentariums zum Kampf gegen steigende Energiekosten und Inflation:
Energiesteuer auf Kraftsoffe
Für die Monate Juni bis August 2022 wird die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß abgesenkt. Die Steuerentlastung für Benzin beträgt damit 30 Cent je Liter, für Diesel 14 Cent je Liter.
Die Bundesregierung beobachtet genau, ob diese Reduzierung an Kundinnen und Kunden weitergegeben wird. Um in Zukunft den Missbrauch der Marktmacht von u.a. Kraftstoffkonzernen zu begrenzen, hat das BMWK unter Vorstoss von Bundeswirtschaftsminister Habeck eine Erleichterung der Durchsetzungskraft des Instruments der Vorteilsabschöpfung (Kartellrecht) angekündigt.
Wegfall der EEG-Umlage für Stromkunden
Die EEG-Umlage für Stromkunden von derzeit 3,72 Cent pro Kilowattstunde fällt zum 1. Juli 2022 weg. Ab 2023 wird die EEG-Umlage mit der großen EEG-Novelle ganz abgeschafft und dauerhaft über den Bundeshaushalt finanziert.
Zweites Energieentlastungspaket
Erwerbstätige, Selbstständige und Gewerbetreibende erhalten eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro. Die Auszahlung erfolgt über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers.
Selbstständige erhalten einen Vorschuss über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuer-Vorauszahlung.
Erleichterte Bürgschaften für Unternehmen & KfW-Sonderprogramm
Erweiterungen bei den Bund-Länder-Bürgschaftsprogrammen für vom Ukraine-Krieg nachweislich betroffene Unternehmen sind ebenfalls gestartet. Dies betrifft die Bürgschaftsbanken und das Großbürgschaftsprogramm. Hier können Anträge seit dem 29. April 2022 gestellt werden.
Im KfW-Sonderprogramm Ukraine-Krieg erhalten mittelständische Unternehmen und freiberuflich Tätige, die vom Ukraine-Krieg und den Sanktionen betroffen sind, günstige Liquiditätsdarlehen. Betroffenheit liegt vor bei Umsatzrückgang, Produktionsausfall, geschlossenen Produktionsstätten oder gestiegenen Energiekosten.
Der Kredithöchstbetrag ist begrenzt auf 15 % des durchschnittlichen Umsatzes der letzten 3 Jahre oder 50 % der Energiekosten der letzten 12 Monate vor Antragstellung.
Gefördert werden sämtliche Kosten und Investitionen, die für deine unternehmerische Tätigkeit notwendig sind. Dazu zählen u.a.:
- Anschaffungen wie Maschinen und Ausstattung (Investitionen)
- alle laufenden Kosten wie Miete, Gehälter oder Warenlager (Betriebsmittel)
- Übernahmen und Beteiligungen
Konjunkturprogramm für das Handwerk
Unternehmen im Handwerk, welche die Energiewende aktiv mitgestalten, können von unterschiedlichen Förderinitiativen profitieren. So soll ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
Eigentümerinnen und Eigentümer von Immobilien sollen bei dieser Transformation unterstützt werden, u.a. über das Gaskesselaustauschprogramm. Mit beteiligten Unternehmen aus Industrie, Handwerk und Privathaushalten will die Bundesregierung eine „große Wärmepumpen-Offensive“ starten.
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